Typ 1 Reisen und wie man sie genießt
Nach 18 Jahren mit Typ-1-Diabetes hat Katja so viel über Diabetes gelernt, dass sie einen Blog darüber erstellt hat. Katja ist eine wirklich erstaunliche Autorin und ein großartiger Mensch.
Wir sprachen mit ihr, um sie besser kennenzulernen.
Erzählen Sie uns zunächst ein wenig über sich selbst, wo
kommen Sie her? Wo wohnen Sie jetzt?
Ich heiße Katja und bin vierundvierzig Jahre alt. Seit etwas mehr als fünf Jahren lebe ich mit meiner Familie in Ecuador. Geboren und aufgewachsen bin ich in Deutschland, in der niedersächsischen Provinz. In Göttingen und Berlin habe ich Soziologie und Politik studiert. Zwischen Grund- und
Hauptstudium bin ich das erste Mal in Südamerika gereist, nur ich, ganz alleine, mit meinem großen Rucksack – und damals noch ohne Diabetes.
Das Reisen in diesen Ländern hat mir gefallen, das Wilde, das nicht so Aufgeräumte, die Offenheit, die Vielfalt – und seitdem habe ich ein Stück Lateinamerika in meinem Herzen, fühle mich in Deutschland und in Südamerika zu Hause. Ich lebe sehr gerne hier. Die ersten drei Jahre waren wir in Guayaquil, und jetzt leben wir in Quito. Es ist toll, dass meine Kinder Spanisch lernen und alles ganz selbstverständlich kennenlernen, was ich erst mit über zwanzig entdeckt habe. Wir sind in Ecuador, weil mein Mann und ich hier arbeiten. Ich unterrichte Deutsch und schreibe. Bisher gibt es
zwei bilinguale Kinderbücher von mir. Immer, wenn die Kinder Ferien haben, reisen wir.
Wie lange leben Sie schon mit Diabetes? Wie ist Ihr Verhältnis zu Ihrem Diabetes?
Seit 18 Jahren lebe ich jetzt mit T1-Diabetes. Als ich 26 Jahre alt war und beinahe mit meinem Studium fertig, bekam ich die Diagnose. Damals wohnte ich in Berlin. Ich war schockiert und verzweifelt, als mir dieÄrzt:innen im Krankenhaus erklärten, dass ich ab jetzt für immer dies Krankheit haben würde. Ich dachte, dass mein Leben – so wie ich es mir vorgestellt hatte: spontan und frei und voller abenteuerlicher Reisen – definitiv vorbei sei. Ich hatte damals Angst und ich wusste viel zu wenig über die Krankheit.
Heute ist das natürlich anders. Mein Verhältnis zu meinem Diabetes hat sich entspannt. Ich weiß inzwischen, dass T1-Diabetes eine Krankheit ist, mit der ich leben kann ohne wirklich große Einschränkungen in Kauf zu nehmen.
Das Leben mit Diabetes kann sehr gut sein. Du musst auf dich achten, musst aufmerksam beobachten, was dir guttut und was nicht. Aber auf sich achten, das ist auch für Menschen ohne chronische Krankheiten ratsam.
Manchmal ist es nervig, mit Diabetes zu leben, und es gibt Tage, an denen es frustrierend ist, wenn Dinge nicht so klappen, wie ich sie geplant hatte. Oft reagiert der Körper anders als gedacht, oft anders als die eigene Erfahrung es nahelegt. Das nervt und ist manchmal zum Heulen.
Erzählen Sie uns von Ihrem Blog. Wie haben Sie angefangen, ihn zu schreiben? Wie viel ist er seitdem gewachsen?
Ich schreibe gerne, ich finde, ich habe lustige Dinge erlebt und schöne Begegnungen gehabt, die ich festhalten will. Ich finde toll, dass ich anderen Mut machen und sie vielleicht inspirieren kann, mit dem, was ich erzähle.
Mein Blog, das bin irgendwie ich, wie ich lebe und fühle, ich schreibe über meine eigenen Erlebnisse und fokussiere mich dabei auf Diabetes und Reisen in Mittel- und Südamerika. Ich gebe keine konkreten Tipps und berate nicht. Ich erzähle nur und poste Fotos. Wenn Menschen die
Blogbeiträge lesen und dabei Spaß haben, freue ich mich. Am tollsten finde
ich, wenn es andere berührt, was ich schreibe.
Meine Freundin Corinna sagt, dass sie meinen Blog mag, weil er ein gutes Gegengewicht zu den vielen Gruselgeschichten darstellt, die sie im Internet über T1-Diabetes findet. Ihr gefällt, dass ich das Positive fokussiere. Corinna ist Mutter einer sehr tapferen elfjährigen Typ-1-Diabetikerin, die von Anfang an so souverän mit der Krankheit umgegangen ist, dass ich nur staunen konnte. Sie heißt Leo, und auf meinem Blog findet ihr einen Brief, den ich an sie geschrieben habe, als sie vor drei Jahren im Krankenhaus lag und gerade lernte, die ersten Schritte in einem Leben mit Typ-1-Diabetes zu
gehen.
Meine feste Überzeugung: Man darf sich nicht zu sehr einschränken lassen von seinem T1-Diabetes. Klar, man muss ihn ernst nehmen, aber das geht eigentlich ganz gut, fühlt sich manchmal ein wenig amivalent an, die tägliche Suche nach einem Gleichgewicht zwischen leicht und schwer, aber so ist
das mit vielem. Du kannst Diabetes haben und trotzdem ein freies, eigenverantwortliches Leben führen. Daran glaube ich fest. Dafür musst du die Krankheit als Teil von dir selbst akzeptieren. Am Anfang ist das nicht leicht, aber es bleibt dir nichts anderes übrig. Und wenn du erstmal gelernt
hast, mit T1-Diabetes zu leben, kannst du auch reisen, Abenteuer erleben, deine eigenen Entscheidungen treffen. Okay, es geht nicht alles. Ich glaube, T1-Diabetiker können keine Pilotenausbildung machen zum Beispiel…Ach, gut, dass ich nochmal nachrecherchiert habe – auch das geht. Also: Keinegroßen Beschränkungen. Aber für mich ist das leicht zu sagen, denn ich habe eine gute Krankenversicherung. Für Menschen, denen der Zugang zu den Medikamenten, die sie brauchen, verwehrt ist, ist das natürlich etwas ganz anderes. Dann ist Typ-1-Diabetes eine riesige Einschränkung. In Deutschland haben es Diabetiker:innen vergleichsweise gut. In vielen
anderen Ländern ist es viel schwieriger, mit der Krankheit zu leben. Das ist ein anderes Thema, aber ein sehr wichtiges!
In Beyond Type 1 glauben wir, dass wir zusammen stärker sind. Glauben Sie, dass Blogs eine gute Möglichkeit sind, mit anderen Menschen mit Typ-1 Diabetes in Kontakt zu treten? Warum?
Sich Mut machen, einander unterstützen, Menschen finden, die einen verstehen, ist wichtig, unbedingt! Auf welchen Kommunikationskanälen sich Menschen auch immer begegnen. Dafür sind sie da, diese Kanäle, finde ich.
Und ja, ich hoffe, dass sich Menschen, die meinen Blog lesen, ein wenig inspiriert fühlen und freue mich sehr, wenn Leser:innen sich bei mir melden. Das ist schön. Ich mag den Austausch. Hauptsächlich habe ich jedoch angefangen, den Blog für mich zu schreiben. Es hilft mir und macht mir
Spaß, das, was ich erlebt habe, zu erzählen. Als ich damals meinen Diabetes neu hatte, hätte ich gerne solche Geschichten gelesen oder gehört.
Was war für Sie die größte Überraschung im Leben mit Typ-1-Diabetes?
Meine beiden Schwangerschaften verliefen problemlos. Mit Diäten und viel schwimmen gehen, gab es keine Komplikationen. Auch die Geburten waren gut. Als meine Tochter geboren wurde, hatte ich erst seit drei Jahren Diabetes, also noch recht „frisch“. Ich wurde engmaschig betreut, hatte
damals eine großartige Diabetologin, die mir Mut anstatt Angst gemacht hat. Das war toll und alles hat prima geklappt.
Reisen… wir lieben Reisen. Wir wissen, dass Sie eine Expertin sind, also sagen Sie es uns. Was sind die „goldenen Regeln” für Reisen, wenn man mit Typ-1 lebt?
Ich weiß nicht, ob ich eine Expertin bin. Ja, ich reise gerne, und klar, wenn du mit T1-Diabetes lebst, musst du immer gut vorbereitet sein. Nimm genug Insulin und Wechselinsulin mit, pass auf, dass du die Kühlkette einhältst (Frio-Kühltasche, supereinfach), hab immer schnelle Kohlenhydrate bei dir,
Messgerät und/oder Sensoren. Verteile die Sachen auf deine Taschen, damit du auch dann noch etwas übrighast, falls eine Tasche geklaut oder beschädigt wird. Habe Notfallnummern bei dir. Schäm dich nicht für deine Krankheit. Wenn Menschen dich komisch anschauen, erkläre ihnen, was
Diabetes ist. Vielleicht hilfst du damit sogar anderen. Mach eine Pause, wenn du nicht mehr kannst oder unsicher bist, wo dein Zuckerwert sich gerade befindet.
Wenn Sie jedem eine Sache über Diabetes erklären könnten, welche wäre das?
Diabetes ist nicht gleich Diabetes, die Krankheit ist so unterschiedlich. Was für eine Person mit Diabetes gilt, trifft auf eine andere vielleicht nicht zu. So wie wir Menschen einzigartige Individuen sind, mit unterschiedlichen Erfahrungshintergründen, Emotionen, einem unterschiedlichen Umfeld,
unterschiedlichen Menschen, die uns umgeben und beeinflussen, so ist auch die Krankheit individuell unterschiedlich. Zwar können wir uns helfen, uns gegenseitig unterstützen und von den technischen Errungenschaften im Bereich Diabetes-Management profitieren, aber letztendlich muss jede und
jeder seinen eigenen Umgang mit der Krankheit finden. Ich will überhaupt keine Tipps geben. Das empfinde ich sogar manchmal als übergriffig.
Stattdessen würde ich die Menschen, die neu mit Diabetes diagnostiziert wurden oder die im Alltag hin und wieder verzweifeln, weil es schwer sein kann, gerne in den Arm nehmen. Ich will ihnen über den Kopf streicheln und sagen: Hab keine Angst! Es ist so wichtig, dass wir Menschen um uns
haben, die nicht immer nur besser wissen, was zu tun ist, sondern auch solche, die sich Zeit nehmen, uns zuhören und uns sagen: Es ist schwer, mit einer chronischen Krankheit zu leben. Aber du machst das gut! Ich gratuliere dir. Toll, dass du einen Weg gefunden hast, mit der Krankheit umzugehen.
Und schließlich: In welchen sozialen Netzwerken können wir Ihnen folgen?
1. Mein Blog: https://tropentauglich.com/
2. Instagram: https://www.instagram.com/katja_in_quito/